„Die Nähmaschine muss zum Nähen AN sein!“
So schlicht dieser Hinweis aus einem Upcycling-Projekt auch klingt, so viel steckt darin: Lernen durch Versuch und Irrtum, mit Geduld und ganz viel Praxis. In der Projektwoche am Emsland-Gymnasium wurde schnell klar, dass sich echtes Lernen nicht immer mit Büchern und IPads abspielt – sondern oft mit Stecknadeln, Gummistiefeln, Farbe an den Fingern oder Lampenfieber vor der Bühne beginnt.
Unter dem Motto „Segel setzen für die Zukunft“ verließen Schülerinnen und Schüler für eine Woche das gewohnte Unterrichtsformat und arbeiteten in jahrgangsübergreifenden Gruppen an Projekten, die sie sich selbst ausgesucht hatten. Die Lehrkräfte hatten im Vorfeld ein buntes Programm aufgestellt, aus dem die Jugendlichen frei wählen konnten. Die Entscheidung fiel nicht leicht: Zur Auswahl standen unter anderem Windsurfen am Torfmoorsee in Hörstel oder kreative Holzbearbeitung beim Bau eines „Mobile der guten Hoffnung“. Dazu kamen ein Podcast-Projekt, bei dem die Schülerinnen und Schüler nicht nur technische Grundlagen lernten, sondern auch Kreativität entwickeln mussten, und ein Projekt mit dem Titel „Mit Wissenschaft hoch hinaus“. Hier wurde sportliche Erfahrung mit naturwissenschaftlicher Theorie kombiniert: Nach einem Besuch in einer Kletterhalle analysierten die Teilnehmenden an der Fachhochschule Münster im Fachbereich Maschinenbau physikalische Aspekte des Kletterns – etwa die Belastbarkeit von Karabinern – und gewannen so Einblicke in den Studienbereich Maschinenbau. Ein weiteres Projekt widmete sich dem Thema Mülltrennung. Bei dem Besuch einer großen regionalen Recyclingfirma lernten die Kinder, wie man vollautomatisiert Kühlschränke in seine Einzelteile zerlegen lassen kann oder wie man mit einem riesigen Baggergreifarm sehr schnell alte Waschmaschinen auftürmen kann.
Sichtbar wurde der Projektgedanke auch im Schulgarten-Team. Unter der Leitung von Lehrer Sebastian Maurer und mit großzügiger Unterstützung der Technischen Betriebe Rheine – ganze 10 Kubikmeter Mutterboden und ebenso viel Rindenmulch wurden geliefert – verwandelte sich das zugewachsene Gelände hinter dem Schulgebäude in ein echtes Schmuckstück. Neue Wege wurden angelegt, Hochbeete gezimmert, Fundamente gegossen und ein Gewächshaus errichtet. Das grüne Klassenzimmer unter altem Baumbestand lädt zukünftig sogar zum Unterricht im Freien ein – ein bleibendes Ergebnis engagierter Arbeit.
Ganz anderen Herausforderungen stellten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Mini-Musicals. Unter der Leitung von Elisabeth Strotbaum, Juliane Erdmann und Inga Kleine-Kracht entstand innerhalb von nur drei Tagen ein rund 40-minütiges Stück mit Musik, Gesang, Text und Soloauftritten. Dass am Präsentationstag gleich zweimal das große Forum bis auf den letzten Platz gefüllt war, war der verdiente Lohn für ein Höchstmaß an Einsatz, Kreativität und Mut.
Dass bei alledem nicht alles glatt läuft, gehört dazu – und war ausdrücklich erwünscht. Wutanfälle bei Nähmaschinenproblemen, der erste Umgang mit dem Nahtauftrenner oder der stechenden Wirkung einer Stecknadel war beim Upcycling-Projekt, bei dem die Schülerinnen und Schüler aus alten Kleidungsstücken neue Dinge nähten, an der Tagesordnung. Aber gerade die kleinen Rückschläge machten die Lernerfahrungen umso wertvoller. Besonders beeindruckend waren die individuellen Lernfortschritte: Zu Beginn hatten gerade einmal drei Teilnehmende Erfahrung an der Nähmaschine – am Ende der Woche hielten fast alle selbstgenähte Taschen oder Accessoires in den Händen.
Im jahrgangsübergreifenden Miteinander lernten Jüngere von Älteren, Ältere übten sich in Verantwortungsbewusstsein. Wie ernsthaft sich viele den Projekten widmeten, zeigte ein trockener, aber treffender Kommentar eines älteren Schülers an einen jüngeren: „Nicht quatschen, sondern arbeiten!“ Hervorgehoben werden muss auch, dass einige Eltern selbst aktiv an den Projekten beteiligt waren; sie hatten sich eigens für diese Arbeit frei genommen und bereicherten die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern in sozialen Projekten und insbesondere auch im Schulgarten mit ihren ganz besonderen beruflichen Fähigkeiten und Erfahrungen.
Am Tag der Präsentation war deutlich zu spüren, wie sehr die Schülerinnen und Schüler mit ihren Projekten verwachsen waren. Viele von ihnen präsentierten „ihre“ Ergebnisse mit sichtbarem Stolz – nicht wenige nahmen Eltern oder Geschwister regelrecht an die Hand, um ihre Arbeit zu zeigen. Die Schule wurde zum lebendigen Ausstellungsraum – und zum Ort echter Begeisterung.
Unterstützt vom Förderverein, der nicht nur Materialien finanzierte, sondern auch bei bestem Wetter Limonade für alle bereithielt, war der Präsentationstag ein kleines Fest. „Das war wie ein kleiner Tag der offenen Tür“, meinte ein Vater beim Verlassen des Schulgebäudes und beschrieb den Vormittag damit sehr treffend.
Ganz sicher bleibt am Ende aber noch mehr als ein Hochbeet oder die selbstgenähte Tasche; viele Projekte widmeten sich auch dem sozialen Miteinander, der religiösen Identität, der gesellschaftlichen Orientierung. Und was zweifellos alle Projekte miteinander verbindet, ist die Erfahrung, dass man in der Gemeinschaft eigene Talente entfalten, Verantwortung übernehmen und dabei über sich hinauswachsen kann – kurz gesagt: dass man die Segel für die eigene Zukunft selbst setzen kann.