HausaufgabenDas Emsland-Gymnasium geht neue Wege: Jugendliche übernehmen hier Verantwortung, indem sie jüngere Mitschüler im Schulalltag begleiten, ein Regelbewusstsein entwickeln und durch Erziehung die Selbstverantwortung des Einzelnen stärken.

Erziehung? Da denken wir an Erwachsene und Kinder, Lehrer und Schüler, Auseinandersetzungen mit protestierenden Jugendlichen. Tatsächlich ist aber eine Erziehung auf Augenhöhe manchmal sehr viel effektiver. Jüngere akzeptieren das Vorbild älterer Mitschülerinnen und Mitschüler eher – und Ältere wachsen und reifen, indem sie Verantwortung übernehmen.

Das Emsland-Gymnasium Rheine geht seit einigen Jahren einen innovativen Weg in Bezug auf Prävention von Mobbing. Frau Wennemer-Heitjan initiierte die Kopplung des Streitschlichterprogramms mit einem selbst konzipierten Patenamt. Dabei übernehmen Schülerinnen und Schüler der Oberstufe nach einjähriger Ausbildung in Patenamt und Streitschlichtung die Begleitung der fünften Klassen. Über die Funktion der Paten nehmen sie an vielen Aktionen zur Klassengemeinschaft teil und unterstützen so die Klassenlehrer. Diese regelmäßigen Treffen bilden Vertrauen. Bei auftretenden Konflikten können die Oberstufenschüler so schnell und vorbeugend eingreifen und als Streitschlichter die Konflikte mit den Beteiligten lösen. Insgesamt ein Konzept, das nicht nur zum Ziel hat, Mobbing zu begegnen, sondern langfristig eine Streitkultur an der Schule zu implementieren, die einen respektvollen und wertschätzenden Umgang möglich macht.

Die Zeitschrift „Thema Jugend – Zeitschrift für Jugendschutz und Erziehung “griff in ihrer Herbstausgabe das Beispiel auf, indem dort ein ausführliches Interview mit den beteiligten Schülerinnen und ihrer Lehrerin erschien. Hier einige Ausschnitte:

Frau Wennemer-Heitjan, Sie sind Beauftragte für Streitschlichtung am Emsland-Gymnasium in Rheine. Was hat Sie an dieser Aufgabe und an diesem Themenfeld gereizt?

Wennemer-Heitjan: Ich war und bin der Überzeugung, dass Konflikte immer auftreten, was ja auch normal ist. Entscheidend ist, wie damit umgegangen wird. Bei richtigem Umgang kann man oftmals Schlimmeres verhindern. Die Frage ist aber: Wie und wo lernt man einen möglichst konstruktiven Umgang mit Konflikten? Nach der Qualifikation zur Mediatorin war ich von dem Verfahren der Streitschlichtung überzeugt, ein Spektrum sozialer Kompetenzen zu vermitteln bzw. die löschen Schüler in ihren sozialen Kompetenzen zu bestärken.

Sie haben ein eigenes Konzept zur Prävention von Mobbing und zur Einführung einer Streitkultur erarbeitet. Was ist aus Ihrer Sicht das reizvolle an der Verknüpfung von Patenamt und Streitschlichtung?

Die besondere Qualität ist, dass die Paten – in der Regel drei pro Klasse – einen Kontakt zu den Fünfklässlern aufbauen und häufig mit ihnen zu tun haben, Ansprechpartner sind. Wenn dann Streitigkeiten auftreten, sind die Schüler natürlich auch eher bereit, das Problem mit den Paten zu besprechen. Ich halte diese Kombination für eine sehr fruchtbare Sache, in deren Mittelpunkt Vertrauen und Präsenz stehen.

Streitschlichtung ist letztlich Engagement von Schülern für Schüler löschen. Aus welchem Grund wolltest du „Streitschlichter“ werden?

Leona: Also, ich fand es persönlich für mich in der fünften Klasse schade, dass wir noch keine Paten hatten, sondern nur die Lehrer als Ansprechpartner. Es besteht einfach ein anderes Verhältnis zwischen Fünftklässler/-in und älterer Schülerin als zum Klassenlehrer oder zur Klassenlehrerin. Und deswegen ist es eine gute Chance für die Kinder, die neu an die Schule kommen, dass sie sich orientieren können und jemanden haben, den sie etwas fragen können. Sie können nach einem Raum fragen oder aber auch um Hilfe bitten, wenn sie mit einem Lehrer oder einer Lehrerin nicht so gut zurechtkommen. Das gibt ihnen Sicherheit und deswegen erachte ich es als eine sehr gute Chance.

Marike: Es macht ja auch viel Spaß! Das geht uns allen so, sonst würden wir das ja auch nicht machen. Und dafür lohnt es sich auch, selbst wenn es Zeit kostet. Außerdem kann man das, was man bei der Ausbildung mitnimmt, auch für den Alltag und das weitere Leben selbst gut anwenden.

Gibt es ein Erlebnis, eine Erfahrung, die eure Haltung zu Mobbing nachdrücklich geprägt hat?

Leona: Für mich war es teilweise sehr erschreckend zu bemerken, wie unsicher oder traurig Kinder waren, die gemobbt oder auch nur ausgegrenzt wurden. Wenn Kinder dann bei uns angefangen haben zu weinen und uns auch von ihren Gefühlen erzählt haben, dann konnten wir merken, wie sie das Erlebte verletzt hat und was das insgesamt mit ihnen macht, dass sie gar keine Lust mehr hatten, zur Schule zu gehen.

Marike: Bei mir war noch eine andere Situation prägend: Da ist jemand durch Mobbing sehr aggressiv geworden. Dadurch ist dann viel Streit entstanden, weil sich die Beteiligten sogar geschlagen oder geschubst haben. Das ist dann löschen ein ganz anderer Ausdruck als z.B. Weinen.

Welche Aufgaben hat man als „Streitschlichter/-in“ und als Pate?

Marike: Beim Pate-Sein ist die größte Aufgabe, für die Kinder da zu sein. Es gibt schon vor den Sommerferien einen Kennenlerntag, an dem die Pat/-innen auch teilnehmen und sich vorstellen. Sie übernehmen auch schon Aufgaben wie erste Spiele, Steckbriefe und Fotos (machen). Und am ersten Schultag ist man dann auch dabei. Wir haben an diesem Tag Spiele gemacht und schon die wichtigsten Regeln zur Streitschlichtung erklärt. Und dann haben wir später auch Steckbriefe gemacht. Wir fahren mit auf Klassenfahrt und gehen auch nach Möglichkeit bei Wandertagen mit, nehmen an der Weihnachtsfeier teil…So versuchen wir, so oft es geht, bei der Klasse zu sein, insbesondere bei den Veranstaltungen, die eher außerunterrichtlich sind. So wächst eine Beziehung und die Kinder erzählen auch, was sie stört.

Leona: Wir können durch den regelmäßigen Kontakt besser feststellen, zwischen wem es gerade nicht so gut läuft. Und daraufhin machen wir dann auch z.B. Anti-Mobbingstunden, damit ein Konflikt gar nicht erst größer wird. Insgesamt wissen die Kinder durch unsere Präsenz, dass sie immer zu uns kommen können – bei kleinen und größeren Problemen. Vertrauen wächst durch den regelmäßigen Kontakt. Wir sind aber in der Verantwortung als Paten, eigentlich immer auch auf das Klassenklima zu schauen.

Kann es eine mobbingfreie Schule geben oder wie sieht Ihr / euer persönliches Ideal einer Schule aus?

Johanna: Ich glaube, dass Schule ohne Streit schwierig ist, weil Streit irgendwie dazu gehört. Es gibt immer Dinge, die geklärt werden müssen…Ohne Mobbing wäre natürlich toll. Da müsste man dann vorbeugend gegen vorgehen – so wie an unserer Schule mit den Paten – so könnte es eine mobbingfreie Schule schon geben.

Leona: Man könnte es noch weiter optimieren, wie z.B. mit der Stunde, die eingerichtet werden soll. Dadurch könnten diese Anti-Mobbingstunden noch öfter gemacht und Mobbing verhindert werden. Und in diesem Zusammenhang sollte es vielleicht auch Stunden oder Möglichkeiten geben, die klassen- und stufenübergreifend abgehalten werden, damit man sich besser kennenlernt…dann kann es vielleicht wirklich funktionieren, dass man eine mobbingfreie Schule wird.

Wennemer-Heitjan: Konfliktfrei nein! Das wäre auch nicht gesund. Da würde zu viel unter den Teppich gekehrt, was hinterher wieder zutage tritt. Aber mobbingfrei – das ist ein Ideal –das sollte man anstreben, wenn bestimmte Regeln eingehalten werden und bestimmte Stellgrößen richtig eingestellt sind, dann müsste das machbar sein.