Das Emsland-Gymnasium hat, da es im Schatten des Waldhügels liegt, eine durchaus bevorzugte Lage. Eben kurz durch die Kleingartenanlage, über die Catenhorner Str. auf den Parkplatz, durch das kleine Drehtor und schon ist man drin.

Der Leistungskurs Deutsch Q2 2015/2016 hat sich intensiver mit Gedichten und Texten beschäftigt.

Diesmal handelt es sich um den Versuch, expressionistische Gedichte zu verfassen. Diese literaturgeschichtliche Epoche ist eher düster, pessimistische Züge finden in Prophezeiungen kommenden Unheils ihren stärksten Ausdruck. Die Dichter zwischen 1910 und 1925 gingen neue, ungewöhnliche – und gewöhnungsbedürftige Wege und schufen eine eigene Ästhetik, die Ausdruck ihrer skeptischen Haltung gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen gegenüber sein sollte.

Uns sind die durchaus beunruhigenden Parallelen zu unserer Lebenswirklichkeit aufgefallen. Und so haben wir uns am 14. Dezember aufgemacht zu einem vorweihnachtlichen Winterspaziergang im Waldhügelgelände, um dort die Atmosphäre auf uns wirken zu lassen in einer Zeit, in der wärmste Friedenssehnsucht und brutalste Terrorwirklichkeit, heimeliger Weihnachtswinter und vernichtende Klimakatastrophen, liebevolle Nestwärme und verzweifeltes Flüchtlingselend nicht härter aufeinanderprallen können. Die Expressionisten ihrer Zeit haben ähnlichen Widersprüchen letztlich nur in einem eher hilflosen Aufschrei versucht zu begegnen. Es ist zu hoffen, dass uns noch andere Möglichkeiten bleiben.

 

Durch rauschende Wälder
Winde stehen tief
tragen mich meine Beine
schwer und stumm

Der See erstreckt sich vor mir
dunkel, ein riesiges Loch
von oben prasselt die kalte Angst
umgeben von durchsichtigen Schleiern

Sehnsucht blutet in mir
erfüllt von Angst stürze ich herab
klettere wieder herauf
Ungewiss
Sehne mich nach Hoffnung
Wo kann ich sie finden?

 

 

Dunkel, wie die Nacht.
Licht aus gemacht.
Blätter verwesen am Boden.
Winterstimmung? Verloren!

Näher rückt der Tag.
Der Himmel bedeckt,
doch Schnee versteckt.
Der Winter versagt.

Regen versüßte das Fest.
Krieg. Nachrichten. Tod.
Weihnachtsfarbe blieb rot.

 

Die Welt zertrümmert

Doch niemand kümmerts‘

So allein in Gedanken

lauf ich durch die Nacht

Der Schein der Stadt prallt auf mich ein

schrei verzweifelt ganz allein

Laut, Leise niemand scherts‘

Wohin mit meinem Schmerz?

Versunken in einem Loch

doch wen kümmerts‘ noch ?

Die Leute kaufen teure Dinge

und hoffen auf ein Wunder

Naiv, dumm rennen die herum

Weihnachten das Fest der Liebe

gefüllt mit Kampf der Kriege ?

Ein Rätsel das niemand löst.

Winter

Kalt

Nass

Schnee

Eisig kalt

Nein nein nein –

Das war vor langer Zeit

Wärme

Laub

So viele Blätter

Ein langer Herbst

Geht direkt

In den Frühling über

Blumen blühen

Und werden dann doch

Zerstört

Vom Winter überrascht

 

Ein Ort

Durch die Steppen der Sahara möchte ich gehen,

ein Ort der Stille wäre so schön.

Ein Schreien verschlingt die Welt

Und im grauen Licht stech ich.

Geh ich! Sehe doch nichts!

Stille

-Inmitten schwarzen Tageslichts finde ich einen Ort.

Doch trägt dieser mich endlich fort?

Eine blaue Lagune schimmert vor mir,

ein Grauen steigt in mir auf.

Stimmen, Laute, Hilfe. Schrei!

Hände steigen empor, der Schimmer vergeht.

Die Welt schweigt still im Lärm ihrer selbst.

Schwarzer Schnee bedeckt des Erde weißes Antlitz.

 

Verwundert

Ist es Herbst oder Winter?
Dezember, 12 Grad, Regen, Nässe
Wo ist der Schnee?
Wo die Kälte?
Herbst
Es ist Herbst

Meeresspiegel steigt,
Eisberge schmelzen,
Gletscher gehen zurück,
Eisbären sterben,
Sommer wird länger,
Winter wird wärmer

Weihnachtsstimmung?
Fehlanzeige
Sehnsucht
Sehnsucht nach Kälte und Schnee
Sehnsucht nach Winter

Weiße Weihnachten
Vielleicht, vielleicht auch nicht
Eher nicht

 

Zerfall

Es ist zu warm

Doch trotzdem nasskalt

Es fehlt etwas prägendes

Mein Herz rast

Ich muss weg

Doch der Lärm überrollt mich

Es wächst über uns hinaus

Die Natur wird zerstört

Bin ich der Einzige der das hört?

Wir müssen uns zusammenschließen

Und kein Blut vergießen

Was passiert hier?

Ich renne

Es ist kein Licht in Sicht

Es wird dunkel

Bis Dunkelheit uns zerbricht.

Gefangen

Vergänglicher Körper, ewiger Geist

Die Stimme in uns, die uns weist

Wie ein fallendes Blatt im Wind

alles in allem ist was wir sind

 

Was willst du? Was willst du nicht?

Ewige Suche nach dem erhellenden Licht

Die Erde klagt, der Himmel weint

Die Sonne, die für dich scheint.

 

Der Geist so schwach

Dein gezähmter Wille, wann wird er wach?

Die Sturmflut bricht los, es bricht der Damm

Raus aus dem an uns haltendem Schlamm

 

Endlich Freiheit

die ihr seht wenn es vor euch steht

doch dann die Klarheit

wie alles vergeht

 

Wir alle sind gefangen

mit dem nie endendem Verlangen

größter Wunsch frei zu sein

nur ein weiterer trügischer Schein.

 

Warten zwischen Welten

Hasserfüllte Worte verfolgen

verzweifelte Schreie von Schmerz

brachiale Wucht der Schüsse

Hoffnungslos

Monster werden alles finden

fühlten Zorn und Angst

fetzen jede Erinnerung

Leer

Kann nicht entkommen

Ozeane voller Blut ; Flüsse voller Tränen

entblößen jeden Moment

Verloren

Liebe

Hoffnung

und doch ständige Angst

die nicht zerstört,

sondern erschafft.

Illusion von Welten

von Träumen,

während ich warte

zwischen Welten.

 

WANDERSMANN (2015)

Leises Surren schmiegt sich

durch Tanne und Eiche.

Wie ein Rausch

durch neblige Luft

Der Weg teilt sich

es geht Berg herunter

aus Tanne und Eiche

wird eine Stille Fläche aus kleinen Steinen

Überall!

Der Rausch wird Stärker

Er kommt näher

egal wo es hingehen soll

Schlamm fliegt dem Himmel entgegen

als hätt’ er in vermisst

und nun vermisse auch ich den Himmel

 

Zaun (oder wie niemand in die Abendsonne blinzelte)

Die gare Natur kocht

In ihrer Mittagshitze verkohlte rohe Knospen hervor.

Unter den Füßen zerfrisst der brodelnde Boden den industrialischen Fortschritt aller.

Sie stinken die Scheine und übertünchen den inneren Irrsinn.

Im Seehof explodiert das kalte Blut ohne die Küste zu erreichen.

Ohne hin alles aussichtlos – Temperatur aus Maximum gestiegen.

Obergrenze erreicht.

 

Die weißen Schafe haben ihre Krippe verlassen

Aufbrechen warten hoffen

Stämme Sträucher Stacheln verschlehen den Schritt

Schmalen den schlüpfrigen Weg

Schmälern den lichten Blick

Zwingen drahtige Iris wo

Dunkle Blüten leise

Vor sich hintoten wo

Klippen den stürzen See steilen

Opal unten tiefes Licht leidet schwarz

Weiße Schafe irrlichtern im Gegenhanggeröll

Frieden scheint

Scheint trostlos überm Wasser gestürzt

Warten hoffen frieren

Grenzenlos

Wege barrikadieren Stämme Sträucher Stacheln

Tote Blüten dunkeln leise vor sich hin

Nichts ist in Ordnung geschwiegen

Werden Worte werden Hülsen werden Patronenhülsen

Hoffen frieren kentern

Weiße Schafe leuchten im Gegenhang

Frieren kentern schwimmen

Weiße Schafe haben die Krippe verlassen

Kentern schwimmen sterben

Frieden überm Wasser gestürzt

Schwimmen sterben – vergessen

Im vorm hinterm

Stacheldraht

Die Krippe bleibt leer