Rheine/Puerto Real. Als Schüler des Emsland Gymnasiums hatte ich nun schon zum zweiten Mal das Glück, am Spanienaustausch unserer Schule teilnehmen zu dürfen. War im letzten Jahr noch die unsere Partnerschulee in der Hauptstadt Madrid das Ziel gewesen, ging es dieses Jahr an die Atlantikküste in die Provinz Cádiz im Südwesten Spaniens, zur IES Profesor Antonio Muro nach Puerto Real. Diese Kleinstadt liegt an der Bucht von Cádiz und ist etwa halb so groß wie Rheine.

Von Mittwoch dem 20. Januar an durfte ich eine Woche lang in einer Gruppe von 24 Schülern und Schülerinnen der EF und Q1 – also dem 10. und 11. Schuljahr – in das spanische Leben eintauchen. Am Mittwochmorgen ging es um 6 Uhr bei Minusgraden und Schnee per Bus gen Flughafen Köln, um dann um kurz nach 16 Uhr in Jerez bei gut 20 °C aus dem Flieger zu steigen. Zwar war es zunächst auch mal bewölkt, zumeist zeigte sich während des Austausches aber die Sonne. Es blieb auch zweimal Zeit für einige Stunden am Strand, wo das Meerwasser doch wärmer als erwartet war. Ärgerlich war nur, dass ich beim Kofferpacken Badehose und Sonnenbrille für unnötig befunden hatte. Aber immerhin konnte ich die Wellen des Atlantiks über meine Füße strömen lassen.

Die Ankunft war für einige Schüler noch ein Kulturschock gewesen: müde von der Reise fand man sich plötzlich im Auto der Gastfamilien ohne Entrinnen der spanischsprachigen Welt ausgesetzt. Vor allem viele Gasteltern und -geschwister sprachen weder Deutsch noch Englisch und einige der Emslandschüler haben das Fach Spanisch auch erst seit einem halben Jahr belegt. Es kam zwar auch mal zu – oft lustigen – Missverständnissen, aber irgendwie klappte die Verständigung doch immer.

160201_Spanischaustausch_Cádiz_1Die Woche war wirklich nicht erholsam – aber das ist wohl auch nicht das Ziel und war mir bereits aus Madrid bekannt. Neben dem ausgedehnten Abendprogramm der spanischen Austauschschüler mit selten mehr als 6 Stunden Schlaf (viele andere auch mal weniger), galt es ein vollgepacktes Programm der Partnerschule zu bewältigen, das oft für qualmende Füße sorgte und so manche Blase unter den Füßen hervorbrachte. Die Freizeit mussten wir uns redlich verdienen. Gerne hätte sich der ein oder andere noch ein paar Stündchen nach Souvenirs umgeschaut, Städte wie Sevilla oder Jerez nach den Führungen auf eigene Faust noch ein bisschen weiter erkundet oder sich zu Tapas in ein Restaurant gesetzt. Doch wurden für die Schüler die zu anfangs noch freudig in Empfang genommenen bocadillos zu ständigen Begleitern. Da auch die sonstigen Mahlzeiten oft in der Gruppe stattfanden, muss die spanische Küche wohl auf einem weiteren Besuch erforscht werden. So meinte eine Mitschülerin: „Ich war eine Woche in Spanien, und hatte nicht einmal Zeit, eine Paella zu probieren!“. Dass Paella eher eine Spezialität der Region Valencia ist, war jedoch auch eine Erkenntnis der Reise.

Aber wir waren uns einig: Die Region hat sehr viel zu bieten. Der Austausch hätte auch locker zwei oder drei Wochen dauern können, langweilig wäre es nicht geworden. Vor allem Sevilla mit den vielen Sehenswürdigkeiten wie der gothischen Kathedrale, dem maurischen Alcázar und der opulenten Plaza de España beeindruckte alle sehr. Weitere Programmpunkte waren eine 12 Kilometer lange Wanderung entlang der Küsten von Puerto Real zum Kennenlernen von Stadt und Umgebung sowie Stadtbesichtigungen von Cádiz und Jerez sowie den weißen Bergdörfern Vejer und Medina Sidonia. Ebenfalls für Begeisterung sorgte Tarifa, die südlichste Stadt auf der iberischen Halbinsel. Diese Stadt liegt nur 14 km von Afrika entfernt; wir hatten das Glück, dass die Sicht so klar war, dass man auch im Januar bis zum anderen Kontinent herübergucken konnte. „Können wir da nicht mit der Fähre herüberfahren?“, wollte ein Schüler wissen. Im Rahmen des straffen Programms ließ sich dies jedoch nicht realisieren, da auch am gleichen Tag noch die römische Ruinenstadt Baelo Claudio am Strand Bolonia besichtigt wurde.

Während der Madridaustausch im letzten Jahr meiner Erfahrung nach von den schönen Künsten geprägt war, stand dieser Austausch eher im Zeichen Spanischer Kulturgeschichte. Oft kam man mit der römischen, aber auch arabischen Vorgeschichte in Kontakt – beides hatte über Jahrhunderte die spanische Entwicklung geprägt, was oft noch erkennbar war, vor allem an alten Bauwerken und eben Ruinen. Auch in Cádiz, womöglich die älteste Stadt Westeuropas, die sich zu römischen Zeiten besonderen Reichtums erfreute und auch später durch das Handelsmonopol mit Lateinamerika aufblühte, war die Geschichte allerorts präsent. So begann die Führung beim Denkmal zur ersten Konstitution von 1812, die in Cádiz proklamiert wurde und zu deren 200. Jahrestag nun die höchste Brücke Europas über die Bucht errichtet wurde.

Für viele war die spanische Geschichte zwar schwieriges Neuland, aber natürlich war sie nicht Hauptbestandteil des Austausches. Vor allem wurden neue Freundschaften geschlossen und Erfahrungen gesammelt, wie das Leben in einem anderen Land mit anderen Kultur funktioniert. Hier sorgten die für uns Deutsche ungewöhnlichen Essenszeiten schon mal für knurrende Mägen, wenn man sich nicht mit genug Proviant ausgerüstet hatte. In dem iberischen Land wir erst um 22 oder 23 Uhr zu Abend gegessen – zu der Zeit liegen viele Deutsche in der Heimat schon im Bett.

Nach einhelliger Meinung hat sich der Austausch gelohnt. Nicht nur konnten wir Sonne tanken, während unsere Familienmitglieder in der Heimat in der Kälte froren; insgesamt war es für alle ein tolles Erlebnis. Ein Lob hatten sich zudem die den Austausch begleitenden Lehrkräfte Ralf Stuppe und Carina Knaup verdient. Die Organisation war hervorragend, man hatte immer ein offenes Ohr für die Schüler und half, wo man konnte.

Beim Abschied flossen viele Tränen. Aber in nur 8 Wochen sieht man sich schon wieder! Dann steht der Gegenbesuch an, bei dem viele Spanier dann von der Deutschen Kultur und vor allem dem Klima überrumpelt sein dürften. So schließt sich dann wieder der Austauschkreis.

 Von Nick Schulte Mesum