Schulleiterin des Emsland-Gymnasiums wird verabschiedet

 „Ginge da ein Wind / Könnte ich ein Segel stellen. / Wäre da kein Segel / Machte ich eines aus Stecken und Plane.“ (Brecht, 1953)

Zuversicht und Entschlossenheit sprechen aus den Versen und es scheint, als beschrieben sie das Wirken Katharina Straßburg-Mulders am Emsland-Gymnasium mit seinen markanten roten Segeln. Mit dem Unterschied, dass sie nicht erst auf günstige Bedingungen warten wollte, sondern selber für frischen Wind sorgte, mit dem sie die Emsland-Kogge auf Kurs brachte und hielt.

Zum 1. März 2011 löste sie Käptn Axel Roosen auf der Kommandobrücke ab und übernahm – mit Deutsch, Kunst und Niederländisch im Seesack – ein gut geführtes Boot mit einer einsatzfreudigen Crew. Deren Talente auszuloten, zu wecken und zu entfalten war sicher eine ihrer herausragenden Qualitäten während der gut achtjährigen Reise. Das schulpolitische Klima sorgte oft für raue See und stellte die Motivation der Mannschaft manchmal auf eine harte Probe. Als verantwortungsvolle, führungsstarke, empathische und umsichtige Kapitänin gelang es Katharina Straßburg-Mulder wiederholt, den Klabautermann zu verscheuchen, Wogen zu glätten und Gegenströmungen im Sinne des Fahrtziels zu kanalisieren, immer im respektvollen Bewusstsein dessen, dass ihre Crew zuverlässig und fleißig zu arbeiten verstand. Dazu konnte sie zunehmend eigene Projektideen einbringen, geeignete Matrosen, Stewards oder Offiziere dafür gewinnen und damit, bei aller administrativer Anforderung, besonders auf künstlerisch-kreativen Feldern dazu beitragen, dem Emsland-Gymnasium ein identitätsstiftendes Profil mit deutlich wahrnehmbarer Außenwirkung zu verleihen. Beispielhaft seien hier die aufsehenerregenden Jazz-Workshops mit professionellen internationalen Künstlern genannt, die sie mit ihrem Mann Rob Mulder initiierte; viele Theaterveranstaltungen, Tanzaufführungen, Autorenlesungen oder Schulfeste, deren Gelingen sie auch mit organisatorisch flankierenden Maßnahmen begünstigte; sie begründete zusammen mit engagierten Teilnehmern aus der Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft einen Zukunftsworkshop, in dem Konzepte entwickelt wurden, die zu den Leitlinien des Emsland-Gymnasiums führten , zu Kooperationen mit Unternehmen und Betrieben aus der lokalen Wirtschaft,  etwas so Kostbares wie die „KostBar“ ins Leben riefen und letztlich das Emsland-Gymnasium als „Faire Schule“ adelten.

Katharina Straßburg-Mulder verstand sich als basisdemokratische Teamplayerin in verantwortungstragender Position; alle konnten jederzeit mit ihren Anliegen vorstellig werden. Nur so – in gegenseitiger selbstverständlicher Offenheit – sind Probleme anzusprechen und zu lösen. Das hat sie am Emsland-Gymnasium über alle Gremien, Arbeits- und Projektgruppen, Konferenzen oder Fachschaften hinweg förmlich gelebt; wer Transparenz wollte, hat sie bekommen, wer Hilfe benötigte, hat sie bekommen. Bemerkenswert waren Beharrlichkeit und Stehvermögen Katharina Straßburg-Mulders, wie sie gefasste Beschlüsse umsetzte und beschlossene Ziele verfolgte. Hohe Brandung, Mastbrüche und andere Rückschläge spornten sie eher nur an. Seemannsgarn zu spinnen, war nicht ihre Sache. Die Crew konnte sicher sein: Hatte etwas in ihrem Logbuch Eintrag gefunden, hat ihre Chefin nicht mehr locker gelassen. Exemplarisch seien hier neben der digitalen Ausstattung die Neugestaltung vieler Kajüten, des Mannschaftsraumes oder des Außenbereiches als Heimathafen genannt.

Nun wird Katharina Straßburg-Mulder von Bord gehen und den Hafen verlassen. Zurück bleibt eine Mannschaft, die dankbar ist für über acht Jahre sichere Fahrt mit klarem Kurs, für die vielfältige Bereicherung schulkulturellen Lebens, für die nachhaltige Vermittlung von Orientierung schaffenden Werten und Umgangsformen, für die mannigfaltigen kleinen und großen Erfolge im Schulalltag. Dies gilt ebenso für die zahlreichen Bootsmädchen und -jungen und Leichtmatrosen, die unter ihrer Führung an Land ins Leben entlassen wurden.

Die Schulgemeinde weint mit einem Auge über den Abschied ihrer Kapitänin. Im anderen Auge spiegeln sich Freude für sie und die besten Wünsche, die sie auf ihrer weiteren Fahrt begleiten werden. Mit dem Herzen sind alle ganz nah bei ihrer Chefin. Der Schicksalsschlag, der die Familie im letzten Jahr getroffen hat, hat die Mannschaft, die gesamte Schulgemeinde mit getroffen. Wie Katharina Straßburg-Mulder ihren Verpflichtungen Tag für Tag weiter nachgekommen ist, verdient nichts Anderes als Bewunderung.

„Das kleine Haus unter Bäumen am See. / Vom Dach steigt Rauch. / Fehlte er / Wie trostlos dann wären Haus, Bäume und See.“ (Brecht 1953)

Stets ein Stück Holz im Kamin und Leben in der Bude; stets eine Handbreit Wasser unterm Kiel und weiterhin gute Fahrt, Katharina Straßburg-Mulder!

Stefan Dehn, Mai 2019